Die “Alte Burg zu Stromberg” wurde erstmals 1353 von Pfalzgraf Ruprecht I. erwähnt und stammt unverändert aus der Zeit der Salier (11./12. Jh.).
Inhaltsverzeichnis:
Burganlage
Die “Alte Stromburg” ist eine mittelalterliche Burganlage des 11. und 12. Jahrhunderts, die – zuvor völlig unbekannt – in den 1980er Jahren von der archäologischen Denkmalpflege Mainz ausgegraben wurde. Sie ist die Stromburg, die in den Urkunden dieser Zeit genannt wird, und Vorgängerin der Stromburg auf dem gegenüberliegenden Schloßberg, die auch als ehemaliges “Gourmetdomizil” von Starkoch Johann Lafer bekannt ist.
Die “Alte Stromburg” ist in mehrfacher Hinsicht eine sehr bedeutende und interessante Burganlage, deren Kennenlernen sich lohnt:
- Wegen ihrer frühen Auflassung gegen Ende des 12./ Anfang des 13. Jahrhunderts durch die Burgenverlagerung, geben die wiederhergestellten Mauerreste eine unveränderte Burg der Salier- und frühen Stauferzeit wieder!
- Die Hauptburg ist – typisch für den salierzeitlichen Burgenbau – aus einem einzigen Gebäude (“Festes Haus”), aber mit enorm starken Mauern (bis zu 2,5 m) errichtet. Mit einer bereits eingebauten (nicht aufgesetzten), zur Angriffsseite ausgerichteten Spitze ist die alte Stromburg unter den salierzeitlichen Burgen bislang ohne Vergleich und zugleich eine der ältesten bekannten Burgen mit dieser Wehrtechnik.
- Die Burgkapelle mit ihrem quadratischen Langhaus und den vier quadratischen Pfeilern im Innern ist typologisch der “Vierpfeiler-Doppelkapelle” zuzuordnen, die vor allem an (Königs-/Kaiser-)Pfalzen oder Bischofssitzen (z.B. Köln, Mainz, Trier) zu finden ist.
- In der Kapelle war ein aufwendiges Rosettenmosaik verlegt, welches heute im Stromberger Heimatmuseum besichtigt werden kann.
Wir Burgpaten freuen uns auf Ihren Besuch und der Teilnahme an einer unserer regelmäßigen Führungen!
Sonderführungen für Gruppen sind auf Anfrage möglich.
Burgkapelle
Einleitung
In das nur 7 x 6,5 Meter große Kirchenschiff der Kapelle der Alten Stromburg sind 4 massive quadratische Säulen mit einer Seitenlänge von je 0,7 Meter eingestellt. Als Stütze für eine Geschossdecke sind sie nicht notwendig, wohl aber für die übliche Aufteilung der Fläche in 9 Joche (Felder) einer typischen Vierstützen-Doppelkapelle!
Begriffserklärung: Vierstützen-Doppelkapelle
Ulrich Stevens beschreibt die Vierstützendoppelkapelle wie folgt:
„Nach der Definition von O. Schürer ist eine Doppelkapelle eine räumliche Einheit von
- übereinanderliegenden Kapellenräumen
- mit eigenen Altären,
- die sich um einen durchgehenden mittleren Raumschacht gruppieren.
Die waagerechte Erstreckung der Kapellenräume und die lotrechte Verbindung zwischen ihnen, sind gleichberechtigte, nicht einander untergeordnete Bestandteile des Baues.
Die häufigste Form der Doppelkapelle ist die Vierstützen-Doppelkapelle. Hier liegen zweiquadratische Räume übereinander, die durch vier im Quadrat stehend Stützten in neun Joche (=Felder) geteilt sind. Eine Öffnung im mittleren Joch verbindet beide Räume miteinander“.
Quelle: Ulrich Stevens, Burgkapellen, Andacht Repräsentation und Wehrhaftigkeit im Mittelalter, 2003, Seite 73 – 124. Zur Burgkapelle auf der Alten Stromburg: Seite 88 – 91.
Vereinfacht dargestellt ist die Vierstütze-Doppelkapelle im Idealfall ein würfelförmiges Gebäude, welches durch eine Geschossdecke in eine jeweils eigenständige untere und eine obere Kapelle unterteilt ist, während die quadratische Fläche der Kapellen durch vier Säulen in neun Joche unterteilt ist. Das mittlere Joch ist dabei zur oberen Kapelle hin offen und stellt somit eine räumliche Verbindung zwischen Ober- und Unterkapelle dar. Charakteristisch ist der schachtartige Raum des mittleren Joches zwischen Ober- und Unterkapelle (siehe Kapelle der Kaiserburg in Eger und Nürnberg).
Die herrschaftliche Ausrichtung der Doppelkapelle begründet sich hauptsächlich in der Trennung zwischen der oberen, der Herrschaft vorbehaltenen Kapelle (“Capella privata”) und der unteren, den niederen Ständen vorgesehen Kapelle (“Capella publica”). Entsprechend war die Oberkapelle in der Regel aufwendiger gestaltet als das meist nur kryptahafte Untergeschoss.
Zu den Doppelkapellen bzw. Vierstützen-Doppelkapellen gibt es in der Wissenschaft viele Theorien bezüglich ihrer Bedeutung, der Vorbilder, oder wann sie zum ersten Mal vorkommen. Fest steht, dass der Bautyp “Vierstützen-Doppelkapelle” im 11. und 12. Jahrhundert für die Darstellung und Repräsentation von Macht und Herrschaftlichkeit von besonderer Bedeutung war.
U. Stevens kommt zum Fazit: Für mehrgeschossige Kapellen auf Burgen “gilt jedoch, dass sie ausschließlich repräsentativen Bedeutung haben und der Selbstdarstellung ihrer Bauherren dienen. Das gilt besonders für die Bauten der unmittelbaren Aachen-Nachfolger (=Pfalzkapelle Karl des Großen in Aachen) und für die Doppelkapellen, die im 12. Jahrhundert geradezu als der Inbegriff der Bauaufgabe “Herrscherkapelle” angesehen werden können.”
Beispiele gut erhaltener Vierstützen-Doppelkapellen sind:
Kapelle der Kaiserburg in Nürnberg:
Kapelle der Kaiserburg / Kaiserpfalz in Eger
Gotthardkapelle am Mainzer Dom
Die Kapelle der Alten Stromberg – eine Vierstützen-Doppelkapelle?
Zur bauhistorischen Einordnung der Burgkapelle auf dem Pfarrköpfchen heißt es bei A. Pöschl (siehe Quellen):
“Vierstützen-Doppelkapellen, in deren Tradition die Kapelle (der Alten Stromburg) durch die vier Stützen (Säulen) und die zentrale Betonung durch das Rosettenmosaik zu sehen ist, kennen wir seit dem 11. Jahrhundert. Sie waren besonders im 12. Jahrhundert weit verbreitet. Wenn auch die Rekonstruktion als Vierstützen-Doppelkapelle auf dem Pfarrköpfchen unwahrscheinlich ist, so ist die Übernahme einzelner Ideen dieses Typs dagegen denkbar, die dann eigenen Bedürfnissen entsprechend weiter entwickelt wurden.”
Das A. Pöschl die Einordnung der Burgkapelle als Vierstützen-Doppelkapelle als “unwahrscheinlich” einstuft, hat folgenden Hintergrund:
Nimmt man die Größe der nach Osten ausgerichteten halbrunden Chorapsis, so hätte das dahinter liegende Kirchenschiff nach den Größenverhältnissen im beschriebenen Idealfall einer Vierstützen-Doppelkapelle mindestens 3,5 mal so groß, die Seiten statt ca. 8,6 Meter ca. 16 Meter Länge haben müssen. Die Säulen müssten mindesten soweit auseinanderstehen, wie die Apsis breit war, also statt nur 2 Meter 4,40 Meter! (siehe Projektion)
Damit ist das Problem beschrieben: Für eine so große Kapelle fehlt auf dem schmalen Bergrücken des Pfarrköpchen der Bauplatz! Der Bauherr war gezwungen das Kirchenschiff kleiner zu bauen als die Größe der Apsis eigentlich vorgab, mit der Folge dass er eine Vierstützen-Doppelkapelle mit dem üblichen Bauprogramm nicht errichten konnte, sondern davon abweichen musste:
Variante 1: Vierstützen-Doppelkapelle mit Holzdecke im Untergeschoß
Er verzichtete auf das auch für die Unterkapelle übliche Kreuzgratgewölbe zu Gunsten einer flachen Holzdecke. Denn wegen des geringeren Säulenabstandes gegenüber der Breite der Apsis, fanden die Gurtbögen des Gratgewölbes zum Chor hin keine Auflager. Sie mussten so hoch über dem Chorbogen ansetzen, dass die untere Kapelle mit Gewölbe nach den Berechnungen von J. Susewind (siehe Quellen) über 5 Meter hoch gewesen wäre und so die Kapelle typenfremd erhöht hätte. (siehe Problem der Rekonstruktion einer Vierstützen-Doppelkapelle).
Die Funde der archäologischen Ausgrabung lassen die Vermutung zu, dass ein Kreuzgratgewölbe vorhanden war, woraufhin auch die dreifach gestuften Lisenenbänder (Lisenen = Wandvorlagen zur Gliederung von Wandflächen) in den Ecken deuten (siehe Beispiel eines Gratgewölbes). Ein Gratgewölbe aber kann für die Burgkapelle der Alten Stromburg als Vierstützen-Doppelkapelle nur für die Oberkapelle rekonstruiert werden! Auch hier erhöht das Gewölbe den Kirchenraum über das im Idealfall übliche Maß (siehe Rekonstruktion mit Holzdecke im Untergeschoss und Kreuzgratgewölbe im Obergeschoss). Allerdings sind auch die Oberkapellen der Kaiserburgen in Nürnberg und Eger deutlich höher als die der jeweiligen Untergeschosse (siehe Grundriss Nürnberg und Grundriss Eger).
Variante 2: Vierstützen-Emporenkapelle
Der Bauherr ging noch einen Schritt weiter, und verzichtete auf eine eigenständige Kapelle mit eigenständigem Chor und eigenständigem Kirchenraum im Obergeschoss und begnügte sich mit einer Empore, die u‑förmig um das mittlere Joch angeordnet war. Die drei östlichen zum Chor hin ausgerichteten Joche waren dabei – wie das mittlere Joch – nach oben hin offen, sodass die Problematik mit dem fehlenden Auflager entfiel.
Allerdings kann man hier nicht mehr von einer Vierstützen-Doppelkapelle sprechen, sondern eher von einer Vierstützen-Emporenkapelle. Eine vergleichbare Kapelle eines solchen Typs gibt es bislang nicht (siehe Rekonstruktion als Vierstützen-Emporenkapelle).
Fazit
Ob Vierstützen-Doppelkapelle oder Vierstützen-Emporenkapelle, entscheidend war es für den Bauherrn eine Kapelle zu haben, die von seinen Zeitgenossen als Herrschaftskapelle (nach der heutigen bautypologischen Einordnung einer Vierstützen-Doppelkapelle) wahrgenommen wurde.
Dies wollte er mit den vier Säulen und mit den zwei Raumebenen der Kapelle – gleich ob mit Holzdecke oder Empore – erreichen (siehe auch Vergleich Vierstützen-Doppel- /Emporenkapelle).
Zudem kann man auch für die Kapelle der Alten Stromburg davon ausgehen, dass die vier Säulen mindestens untereinander mit Rundbögen verbunden waren, und somit der typische schachtmäßige Raum einer Vierstützen-Doppelkapelle über dem mittleren Joch vorhanden war, wie in Mainz, Nürnberg und Eger.
Kräutergarten
Als nächstes Projekt entsteht ein Kräutergarten mit ausgewählten Pflanzen nach der Heiligen Hildegart von Bingen (12. Jh.).
Ausgrabung
Grabungsfunde
Pläne
Grundriss der Burganlage
grau: oberer Burgbereich mit Hauptburg (festem Haus mit Spitzen)
rot: unterer Burgbereich mit Kapelle und Wirtschaftsbereich